Globale Soziale Rechte aneignen:
Vom anonymen Krankenschein für Papierlose zur gleichberechtigten Gesundheitsversorgung für Alle
Privatisierung, Kopfpauschale und Mehrklassenmedizin: Ungleichheit oder gar Ausschluss prägen zunehmend auch die hiesigen Realitäten im Gesundheitswesen. Bleibt der Zugang an die Kräfte des Marktes gekoppelt, entpuppen sich Rechte als das, was sie heute leider in zunehmendem Maße sind: Rechte, die zwar für alle gelten sollen, die sich aber nur die Betuchten und Privilegierten leisten können. Das gilt insbesondere für die Armutszonen des globalen Südens, wo eine Mehrheit der Bevölkerung von guter gesundheitlicher Versorgung weitgehend ausgeschlossen ist. Es ist höchste Zeit, Gesundheitsfürsorge als Teil einer »sozialen Infrastruktur« zu konstituieren. Das gleiche Recht auf Zugang zu gesundheitlicher Versorgung ist nur als öffentliches Gut denkbar. Dafür streiten Gesundheitsinitiativen in aller Welt.
Die Kampagne für einen anonymisierten Krankenscheins greift diesen Ansatz am eklatantesten Unrecht der hiesigen Verhältnisse auf. Denn Menschen ohne Papiere oder mit ungesichertem Aufenthaltsstatus können allenfalls eine eingeschränkte medizinische Akutversorgung in Anspruch nehmen. Oder sie bleiben wegen der Meldepflichten und damit einhergehender Abschiebedrohung gänzlich von einer Versorgung ausgeschlossen. Die Realisierung eines <<anonymen Krankenscheins>> würde hingegen die Integration der Illegalisierten in das hiesige Gesundheitssystem ermöglichen und damit auch einen Schritt in Richtung auf Anerkennung der Existenz und der Rechte irregulärer MigrantInnen bedeuten.
Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus wird der Zugang zu sozialen Rechten durch § 87 AufenthG faktisch unmöglich gemacht. Die Abschaffung dieses Denunziationsparagraphen, der öffentliche Stellen verpflichtet, die Ausländerbehörde über den unerlaubten Aufenthalt zu informieren, ist daher eine zentrale Forderung, um Menschen unabhängig vom Aufenthaltsstatus die Wahrnehmung ihrer sozialen Rechte, zu denen das Recht auf Gesundheitsversorgung zählt, zu ermöglichen.
BürgerInnen aus den neuen EU Ländern halten sich zwar nicht illegal in Deutschland auf, sie sind jedoch oft weder in ihrem Heimatland noch hier krankenversichert. Ein Grund dafür ist die Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die eine reguläre Arbeitstätigkeit mit Sozialversicherung verhindert. Neben der Bewegungsfreiheit muss jedoch der Zugang zu sozialen Rechten für alle Menschen überall in Europa gesichert werden.
Das Recht auf Gesundheitsversorgung darf nicht nach Status oder Nationalität unterschieden wirden. Das Ziel ist eine gute Gesundheitsversorgung für Alle. Die Einführung eines anonymen Krankenscheins würde eine konkrete Verbesserung für Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus hier und heute bedeuten. Sie kann jedoch nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer globalen Anerkennung des Rechts auf gleichen Zugang zu guter gesundheitlicher Versorgung sein. Insofern greift die Kampagne für den anonymen Krankenschein zunächst die Ungleichheiten und Privilegien in einem elementaren sozialen Bereich an. Sie zielt aber darüber hinaus exemplarisch und ganz im Sinne gleicher globaler sozialer Rechte auf die gesellschaftliche Neuorganisation in einem konkreten Handlungsfeld und eine globale Solidarität, gleiche Rechte für Alle an jedem Ort zu verwirklichen.
Initiative Globale Soziale Rechte